Bildungswoche für vhs-Mitarbeitende in Irland:

„Was für eine Geschichte bringst du mit?“ – Eindrücke von einer Erasmus+ Bildungsreise in Irland im Oktober 2024

Welche Arten von Grün gibt es, wie hört es sich am Strand an, welche Geschichten erzählen Steine? Zu allen diesen Fragen haben die Teilnehmenden der Erasmus+ Fortbildung „Storytelling und Podcasten in Irland“ kleine Audiobeiträge aufgenommen. So ist eine Sammlung regelrechter „Geschichtenmitbringsel“ entstanden, die akustisch Eindrücke des Bildungsurlaubs bzw. der Bildungszeit vermitteln, die die Gruppe vom 14.-18. Oktober 2024 in Irland verbracht hat. „Das Hören wird total unterschätzt, man ist generell sehr auf das Visuelle konzentriert“, erklärte dort Dr. Alexandra Hessler, Kulturwissenschaftlerin, die die Gruppe begleitet hat, gemeinsam mit Eckhard Ladner, irischer Reiseleiter mit Leib und Seele.

22 vhs-Menschen, die meisten von ihnen hauptamtlich pädagogische Mitarbeitende, waren der Einladung des Volkshochschulverbands Baden-Württemberg und des Hessischen Volkshochschulverbands zu dieser Fortbildung gefolgt, um das Format „Podcasten und Storytelling“ im Rahmen von Bildungsveranstaltungen kennen zu lernen. Irland als Heimat des „Storytellings“ bot sich als Partnerland für dieses Projekt ganz besonders an, Partnerorganisation des Austauschs waren die irische Erwachsenenbildungseinrichtung AONTAS und der Teachers‘ Club in Dublin.

Wie man Geschichte mit Geschichten erzählen kann, wurde gleich am ersten Tag bei einem Ausflug nach Belfast deutlich, der Hauptstadt Nordirlands und immer noch eine durch die „Troubles“ an vielen Stellen geteilte Stadt: Prof. Dr. Bill Rolston, Fachmann für die politischen „Murals“ (Wandgemälde), führte die Gruppe zu verschiedenen Bildern und erzählte aus persönlicher Perspektive anekdotisch deren Entstehungsgeschichten. Ganz aktuell ist an einer langen Mauer ein Sammelsurium von Bildern palästinensischer Künstlern entstanden, die von Menschen aus Belfast anhand von Fotos aus Palästina nachgemalt wurden – bis ein Regenschauer die Arbeit wieder zunichtemachte. Auch Bill Rolston war dabei und schildert, wie sich die Belfaster dennoch nicht davon abbringen ließen, das eindrucksvolle Kunstwerk fertig zu stellen. Dass und warum in Nordirland aufgrund seiner leidvollen Geschichte eine gewisse Solidarität mit Palästina besteht, wurde auf diese Weise im wahrsten Sinne des Wortes eindrücklich – für viele der Gruppe ein regelrechtes Aha-Erlebnis, das für viel Verständnis der komplizierten irisch-irischen Geschichte sorgte – und damit auch für Verständnis von politischer Historie.

Am nächsten Tag ging es weit zurück in die Vergangenheit: Die Gruppe besuchte das 5.000 Jahre alte Ganggrab in Newgrange – eine Anlage, über die es viele Spekulationen gibt, aber wenig fundiertes Wissen. Daher standen auch eher die Geschichten darüber im Vordergrund, was es mit der Entdeckung und der heutigen Bedeutung des Touristenmagneten auf sich hat, zu dem es sogar eine jährliche Tombola gibt: Wer hier mitmacht, hat die – äußerst geringe –  Chance darauf, einen der begehrten Plätze in der Anlage zur Wintersonnenwende zu ergattern – dem einzigen Tag im Jahr, an dem die Sonne durch den schmalen Eingang ins Innere der Grabanlage auf geheimnisvoll verzierte Steine fällt. Dass man Fakten und Phantasie hervorragend kreativ zusammen bringen kann, wurde im heimeligen Haus der Schriftstellerin Gabrielle Alioth klar. Sie schreibt u.a. Romane mit historischen Hintergründen und begründet die Begeisterung für ihre Wahlheimat so: „Wenn Sie einem Schweizer eine Frage stellen, bekommen Sie eine analytische, auf Fakten basierende Antwort. Wenn Sie einem Iren dieselbe Frage stellen, bekommen Sie eine Geschichte.“

Die nächsten Tage waren ebenfalls geprägt davon, wie man Geschichte ganz anders regelrecht „erzählen“ kann: Etwa auf dem Dubliner Glasnevin Friedhof, der mit den „stories of 1.5 million people“ wirbt oder im Wikinger-Museum „Dublinia“. Hier erklärte die Museumspädagogin Katherine McCormack, wie sie Museumsführerinnen und -führer zu „Storytellern“ ausbildet, damit diese dann in an Wikingerkleidung angelehnten Kostümen z.B. Details über die Lebensweise der Wikinger erzählen können. Wobei auch die so ausgebildeten Menschen, die zum Teil zuvor arbeitslos oder in prekären Verhältnissen gelebt haben, stets betonten, dass man vieles einfach nicht wirklich wissen würde, sie also „stories“ erzählen. Ein weiteres Highlight war der „Literary Pub Crawl“ mit Schauspieler und Podcaster Kevin Olohan (Firesidebard), der singend und schauspielernd mit der Gruppe von (historischem) Pub zu Pub zog und dabei die Dubliner Stadtgeschichte „durchreiste“, die vor allem durch den „Osteraufstand“ im Jahr 1916 geprägt ist. Dass dabei auch das eine oder andere Pint genossen werden konnte, sorgte dafür, dass man sich tatsächlich in die Zeit versetzt fühlte, von der Kevin gekonnt erzählte.

Nach einer Woche voller Eindrücke ging es zurück in die jeweiligen Volkshochschulen – wo nun die eine oder andere mitgebrachte Inspiration in die vhs-Arbeit einfließt, etwa beim Marketing, bei der Bildung neuer Kooperationen oder neuer Formate. „Erzähl mir was“ – dass diese Bitte die Grundlage für gelingende Bildung sein kann, ist in Irland klar geworden!
Alexandra Hessler im Dezember 2024